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#1

Bläh

in Saved Plays 11.08.2016 04:18
von CityOfAngels | 8.700 Beiträge | 355 Punkte

Lacey kam sich verarscht vor. Verarscht von sich selbst, von Matt, von dem ganzen Universum. Es war ein wundervoller Tag. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Leicht regnerisch und eher düster. Genau wie sie das Wetter liebte.
Heute morgen hatte sie sich also in ihre Sportsachen geschmissen und war Joggen gegangen. Zum einen weil auf den Straßen durch das Wetter weniger los war, zum anderen weil … würde sie noch eine Sekunde länger zuhause rumsitzen müssen, würde ihr gesamter Körper zerspringen. Momentan lief nichts wie es sollte. Alles passierte auf einmal und trotzdem tat sich irgendwie nichts. Ihr sprang so viel durch den Kopf, dadurch das sie sich Zwang öfter mal das Haus zu verlassen. Täglich etwas zu unternehmen. Selbst an den Wochenenden. Es gefielt ihr, aber es war zu viel. Deswegen war sie echt froh als sie diesen Tag nur für sich selbst haben sollte und mit dem Joggen, wäre sogar die Aufgabe abgeschlossen einmal am Tag das Haus zu verlassen. Außerdem würde sie dann nicht nur zuhause sitzen und die Gedanken nicht frei bekommen. Und dann, gerade als sie sich überlegte ob sie schon umkehren sollte, rief Matt sie an.
Matt alias ihr bester Freund alias der Retter in Nöten alias der dümmste Vollidiot der Vollidioten! - Ugh, sie wollte ihm so gerne eine verpassen!
Na gut, nein, eigentlich wollte sie sich selbst eine verpassen, aber für den Moment musste sie sich einreden das alles Matts Schuld war um mit sich selbst leben zu können.
Dazu kam, das sie die Hälfte von dem was er sagte nicht verstanden hatte, da sie nach seinen ersten paar Worten in Tränen ausgebrochen war. Nichts was Lacey geplant gehabt hatte, sondern hatte sie einfach nicht an sich halten können.
Ihre erste Reaktion war unglaubliche Erleichterung gewesen. Viel zu lange hatte Matt nichts von sich hören lassen. Nur dieses eine Mal seit er vom Erdboden verschluckt worden war. Täglich hatte sie ihm Nachrichten geschrieben, angerufen, sich gewundert ob er Tot irgendwo in einem Straßengraben lag. Aber nichts – gar nichts!
Andauernd hatte sie Max gebeten ihr sofort mitzuteilen wenn irgendjemand mit einer Beschreibung die auf Matt passte irgendwo erwähnt wurde. Selbst hatte sie andauernd den News-Channel an und versucht etwas rauszufiltern, aber Max hatte die wesentlich besseren Kontakte.
Nach der dritten fast schlaflosen Nacht hatte sie ihn verteufelt und sich vorgenommen, das sie damit Leben musste, egal was war. Egal ob etwas passiert war, oder er einfach so genervt von ihr war das er sie ignorierte. Was nichts daran änderte das sie ihr Handy sogar mit ins Bad nahm um ja nichts zu verpassen und jedes Mal wenn es dann doch nur eine dumme Polish Blast Benachrichtigung war die ihr sagte das ihre Leben aufgefüllt seien oder Pokemon Go das andauernd geupdated werden wollte versetzte ihr das einen Stich.
Ihre zweite Reaktion: Schock. Den ganzen Anruf über hatte sie kein richtiges Wort rausgebracht. Immer nur M-hm, Hmm und Uh-hm von sich gegeben. Ihr schluchzen hätte alles andere sowieso unmöglich gemacht.
Weil sie im Endeffekt sehr viel schneller im Krankenhaus war wenn sie direkt in den nächsten Bus sprang als zuerst noch nach Hause zu gehen, tat sie das auch. Auch wenn sie sich dort so noch sehr viel unwohler fühlte als normal eh schon. Frei nach dem Motto: ‚Scheiß auf alles.‘ hätte sie wohl aber auch einer Oma den Rollator geklaut, wenn ihr das irgendetwas gebracht hätte.
Von da weg gab es einen kleinen Filmriss. Lacey konnte sich nicht mehr daran erinnern wie genau sie in das Krankenhaus kam, was sie den Schwestern sagte und hatte auch keine Ahnung ob sie vor der richtigen Tür stand. Aber die Tür vor der sie stand … naja, sie stand so lange davor das sich zweimal Schwestern bei ihr erkundigten ob auch alles okay sei.
Als sie dann endlich eintrat hielt sie die Luft an. Das erste Anzeichen dafür das er schon länger in diesem Krankenhaus lag als er ihr gesagt hatte, war das er nicht in dem typischen Krankenhausbett lag, sondern in einem Sessel daneben saß.
Die angehaltene Luft stieß sie in einem Schwall aus. In den folgenden 10 Minuten warf sie ihm jedes einzelne Schimpfwort an den Kopf das sie kannte. Und als ihr die Schimpfwörter ausgingen die sie kannte, warf sie ihm schicke Eigenkreationen wie ‚du Heuschreckenfresser‘, ‚idiotischer Bodenbegatter‘ und auch ‚ kaltblütiger Trump-Supporter‘ an den Kopf. Ohne Pause war sie ihm Raum auf und abgetigert, wild gestikulierend. Nun, da ihr echt nichts mehr einfiel ließ sie sich in den Sessel ihm gegenüber fallen. Die ganze Zeit hatte sie vermieden ihn anzusehen. Nun starrte sie ihn erbost an. „Ich hasse dich. Ich hoffe ...“, ihre Hände warf wild gestikulierend in die Höhe, da ihr nicht auf Anhieb etwas einfiel. „Ich hoffe du kannst nie wieder ein technisches Gerät anfassen ohne das es kaputt geht!“ Lahm. Gestand sie ja schon sich selbst ein. Aber es ging ums Prinzip.
Nur Sekunden später sprang sie wieder auf und tigerte erneut in dem kleinen Zimmer hin und her. „Ich meine … aaaaaaaah!“ Lacey wusste nicht was sie sagen sollte. „Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht? Du hast dich einfach so … kidnappen lassen, das ist … aaah!“ Es dauerte noch kurz, dann ließ sie sich wieder in den Sessel fallen. Ihren Kopf stützte sie in ihre Hand, den Blick wandte sie ab. Momentan konnte sie ihm einfach nicht in die Augen sehen. Hypnotisierend fuhr sie immer wieder mit ihrem Daumennagel über die Unterlippe. „Ich hasse dich übrigens nicht, du gehörst für mich zur Familie.“, sagte sie trocken. Was nicht bedeutete, das sie die Worte nicht genau so meinte. Matty war wie ihr kleiner Bruder der es irgendwie geschafft hatte sie zu überaltern.
Im Grunde galt alles was sie ihm soeben an den Kopf geworfen hatte ihr selbst. Lacey hätte es besser wissen müssen und zur Polizei gehen sollen.
„Und nun?“, fragte sie ins blaue. Immer noch ohne ihn anzusehen. „Ich gehe nicht davon aus das die SMSen von dir waren.“ - was diese im Übrigen nicht logischer machte. „Hat man die Leute wenigstens geschnappt? Warum haben sie ausgerechnet dich entführt? Erzähl mir alles!“
Eigentlich wollte sie sich erkundigen wie es ihm ging, aber sie hatte Panik vor der Antwort. Eigentlich wollte sie ihn umarmen und die nächsten zwanzig Jahre nicht mehr loslassen, aber sie hatte Angst ihm in die Augen zu sehen. Eigentlich wollte sie ihm sagen wie stolz sie auf ihn war, das er es lebend überstanden hatte, aber sie fürchtete sich davor zu wissen ob überhaupt noch Leben ihn ihm war. Deswegen starrte sie einfach nur die Wand an. Lenkte ab und unterdrückte ihre Wünsche. Das fraß an ihr und sie bereute es sofort so reagiert zu haben, wie sie es tat, aber sie hatte so große Angst das der Matty den sie kannte, vielleicht gar nicht mehr existierte, das sie sich nicht traute ihn anzusehen bis er sich – hoffentlich – wie der alte Matt verhielt.



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